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Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

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Wenn es eine Frage in Bewerbungsgesprächen gibt, die ich wirklich lächerlich finde, dann diese. Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? What?

Es könnte auch sein, dass ich mich schon in Bewerbungsgesprächen darüber lustig gemacht habe, dass diese Frage gestellt wurde. Sie ist nämlich absolut banal, nichts sagend und in vielen Fällen überhaupt nicht zielführend für die Personalauswahl. Deshalb hier all meine Gründe, warum diese Frage ein für alle Mal aus Bewerbungsgesprächen verbannt gehört.

Die magischen fünf Jahre

Es fängt schon mit dem Zeitraum an. Warum fünf Jahre? Was ist so magisch an einem fünf-Jahres-Zeitraum? Warum nicht vier Jahre oder sieben? Ich habe nicht das Gefühl, dass die fünf Jahre bewusst auswählt wurden. Ich habe den Verdacht, dass sich das einfach nur so random etabliert hat. Und random im Job-Interview ist niemals gut.

Das Problem mit der impliziten Grundannahme

Die Frage impliziert weiterhin, dass Bewerbende einen Plan für die nächsten fünf Jahre ihres Lebens haben. Aber was, wenn nicht?

Viele Menschen sind so reich an Lebenserfahrungen, das sie verstanden haben, dass das Leben manchmal seine eigenen Wege geht. Manchmal kommen Wendungen dazwischen, die man nicht vorhersehen kann. Wer solche Erfahrungen gemacht hat, wird demütig vor zu weit gefassten Plänen absehen.

Junge Menschen hingegen können oftmals gar nicht abschätzen, wieviel Veränderung in fünf Jahren noch so alles passieren kann. Die Antwort auf die Frage ist daher insgesamt wenig belastbar und valide.

Wenn man mich mit 30 gefragt hat, wo ich mich in den nächsten fünf Jahren sehe, habe ich wahrheitsgemäß geantwortet, was ich dachte. Ich wollte mich beruflich immer noch weiter entwicklen. Mich für noch mehr Umsatz-, Personal- und Führungsverantwortung qualifizieren, als ich bis dahin eh schon hatte. Dass ich mit 32 schwanger werden würde und als Mutter meine Prioritäten erstmal ganz andere sein würden, konnte ich mir nicht vorstellen. Wie auch?

Wofür soll die Frage denn überhaupt gut sein?

Mir kommt es so vor, als wäre diese Frage von vielen Unternehmen oder Interviewern in Bewerbungsgespräch aus einem Fragenkatalog rausgepickt worden. Man hat aufgeschnappt, dass dies eine gute Frage für ein Bewerbungsgespräch sei. Jedoch ist mir die Intention dieser Frage bzw. die Auswertung der Antwort nicht ganz klar. Was genau soll anhand dieser Frage ermittelt werden? Wisst ihr das eigentlich selber?

Wollt ihr ermitteln wie ehrgeizig oder ambitioniert Bewerbende sind?
Kleine Anmerkung am Rande: Sowas kann sich in fünf Jahren auch erheblich ändern und hängt nicht unwesentlich von vielen äußeren und inneren Faktoren ab.

Aber selbst wenn nicht, was macht ihr dann mit der Antwort auf die Frage? Was wollt ihr hören? Und ist das, was ihr hören wollt denn auch tatsächlich das, was ihr im Unternehmen wirklich sucht und braucht?

Es ist vielleicht überraschend, aber die Diskrepanz zwischen dem, was als Antwort erwartet wird und dem was im betrieblichen Kontext wirklich erwünscht wird ist enorm hoch.

Es macht de facto nämlich überhaupt keinen Sinn jemanden zu suchen, der in fünf Jahren eine leitende Position einnehmen möchte oder ein eigenes Team im Bereich xy führen will, wenn ihr in eurem Unternehmen die berühmten flachen Hierarchien habt und überdies auch überhaupt keine Personalentwicklungspläne für die nächsten fünf Jahre in diesem Bereich. Eigentlich sucht ihr nämlich jemanden, der auch in fünf Jahren noch glücklich und zufrieden ist mit dem Job, für den ihr jetzt gerade interviewt. Meistens sortiert ihr die Bewerbenden die das antworten oder keine großen Pläne haben aus. Ein klassischer Fehler im System.

Flexibilität und Teamfähigkeit waren euch in der Stellenanzeige doch so wichtig

Unternehmen, die die seltsame Frage nach den fünf Jahren irgendwo aus dem Internet kopiert haben, haben meist auch ihre Stellenanzeigen mit copy- und paste zusammengeklaut gestellt. Und da wurden dann als wichtige Sozialkompetenzen Flexibilität und Teamfähigkeit herausgestellt. Hurra.

Dummerweise passt das eine dann nicht zum anderen und in einem solchen Gerüst zeigt sich die geballte Unprofessionalität eurer Arbeit.

Leute, die äußerst flexibel sind, werden in der Regel keine festgetickerten Pläne für die nächsten fünf Jahre haben. Sie sehen sich also nirgendwo in fünf Jahren. Sie sind ja schließlich flexibel und wollen dies auch sein. Neben allem kreativen Freiraum, den das gibt, beinhaltet das auch die Anpassungsfähigkeit mit sich verändernden Rahmenbedingungen umzugehen.

Das gleiche gilt im gewissen Maße auch für die Teamfähigkeit. Ich will nicht behaupten, dass jemand, der viele Pläne für sich macht, automatisch ein:e schlechtere:r Teamplayer:in wäre. Aber es gibt ein gewisses Konfliktpotential zwischen der Fokussierung auf die eigenen Pläne und dem Teamgedanken.

Die Frage im Kontext einer weltweiten Pandemie

Als wäre die Frage nicht schon unter Normalbedingungen affig genug – in einer globalen Pandemie wird es richtig absurd. Der wundervolle El Hotzo hat es auf den Punkt gebracht. Woher sollen Bewerbende wissen, wie die Scheisse weiter verläuft?

Deshalb

Erinnert euch an Berthold Brechts Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens

Ja, mach nur einen Plan!

Sei nur ein großes Licht!

Und mach dann noch’nen zweiten Plan

Gehn tun sie beide nicht.

In diesem Sinne:

Streicht! Diese! Frage!

(Bessere Fragen für Job Interviews findest Du im Bereich Recruiting)

📷 Photo by Scott Rodgerson on Unsplash

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